Dienstags ist immer Geschäftsführungssitzung. Klingt sehr offiziell und wichtig, kann man sich aber eher als gemütliche Runde vorstellen, in der die Vorstandsmitglieder um den großen Küchentisch im Büro sitzen, sich austauschen, diskutieren und gegenseitig um Rat fragen. Als letzten Dienstag die Sprache auf mögliche Praktikantentätigkeiten und Blogbeiträge kam, grinst Svenja mich an und sagt „Schreib‘ doch mal einen lustig ernsthaften Praktikumsbericht.“
Also, here we go.
Die Urbanisten e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der das städtische Zusammenleben der Menschen nachhaltig verbessern möchte. Die Mitglieder betätigen sich in den Aktionsfelder Upcycling und Do-It-Yourself, Stadtplanung und -entwicklung, Kunst im öffentlichen Raum und Urban Gardening und Farming. Zu jedem Feld gibt es vielfältige Projekte und Vorhaben.
Das ist erstmal genau das, was auf der Website des Vereins steht und damit auch das, was ich wusste bevor ich mein Praktikum begonnen hatte.
An meinem ersten Tag kam ich ins Büro gekommen und am Küchentisch saßen drei Mitglieder, die mich in die Werkstatt schickten. Nach ein paar Minuten verwirrten Herumlaufens auf dem Union Gewerbehof, fand ich das beschriebene Rolltor dann doch. Sechs Stunden später hatte ich viele Informationen, aber genauso viele offene Fragen im Kopf. Wer macht hier eigentlich was? Wo sind alle, wenn sie nicht an ihren Schreibtischen sitzen? Wie viele Projekte gibt es? Wo fänt die Arbeit der Urbanisten an und wo hört sie auf? Wofür steht HSP? Und warum sind die Fische so wichtig?
Nach siebeneinhalb Wochen habe ich nicht nur auf diese Fragen Antworten, sondern auch das Gefühl tatsächlich den Durchblick und den Sinn der Urbanisten-Arbeit verstanden zu haben. Es geht nicht darum, alle Ecken und Kanten der Stadt glatt bügeln zu wollen, sondern das Potential der Städte zu sehen. Es geht darum die Ecken und Kanten zu erkennen und sich zu fragen „was können wir damit machen?“. Die Urbanisten haben die Fähigkeit in Wänden und Hinterhöfen, in leerstehenden Gebäuden, alten Industrieflächen und ungenutzten Flächen, in der Heterogenität der städtischen Bevölkerung und der Individualität der Menschen nicht das vermeintlich Negative, sondern die versteckten Potentiale und wertvolle Vielfältigkeit zu sehen.
Zu meinen Aufgaben gehörten Texten und Gestalten eines neuen Manufaktur-Flyers, Erstellung von Preislisten für die Offene Werkstatt, Pflege und Aktualisierung der Website, Betreuung der Facebook-Seite, Verfassen von Pressemitteilungen, Begleitung zu Gesprächen und Veranstaltungen rund um die Werkhalle, Mitarbeit an der Konzeptarbeit und Förderantragsarbeit für die Nutzung des ehemaligen HSP-Geländes.
Mein Lieblingsplatz war definitiv die Holzbank in der Büroküche. Freie Schreibtische mit bequemen Stühlen ignorierte ich getrost und genoss es mittendrin am großen Tisch zu sitzen. Wenn Flo oder Andi in der Werkstatt nicht gerade die große Tischkreissäge laufen hatten, arbeitete ich auch gerne dort. Und der Abwechslung halber und auch um nach mehreren Laptop-Stunden mal vom Bildschirm weg zu kommen, ging ich gerne in die Werkhalle gegangen, um die Pflanzen zu gießen oder ins Gewächshaus, um die Fische zu füttern.
Kleiner Exkurs: Die Fische sind so wichtig, weil sie über die Aquaponik-Anlage im Gewächshaus die Pflanzen mit Nährstoffen versorgen.
Jetzt ist mein Praktikum fast vorbei und ich habe nicht nur das Gefühl etwas gelernt zu haben, sondern auch Teil von etwas Sinnvollem gewesen zu sein. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen, hier ist meine Heimat und ich liebe Dortmund und seine Umgebung. Wer hier lebt und den Pott kennt, der weiß, dass unsere Region immer noch mit den Folgen des Strukturwandels zu kämpfen hat und sich die räumliche, gesellschaftliche und soziale Situation verbessern muss. In den letzten Wochen war es daher für mich extrem spannend und schön mitzuerleben, wie engagiert sich die Urbanisten mit den Möglichkeiten der heterogenen Strukturen, bestehenden Kulturformen und individuellen Vorstellungen der Menschen auseinandersetzen und immer versuchen, die Potentiale bestmöglich auszunutzen.
Der Verein wurde von ein paar Freunden in einer WG-Küche gegründet und die freundschaftliche und gemeinschaftliche Atmosphäre ist in den letzten sieben Jahren nicht verloren gegangen. In der Büroküche finden ständig Gespräche und Diskussionen statt, bei denen es neben Geschirr spülen und Aufräumen vor allem um die vielen Projekte geht. Die Projektleiter holen sich Rat von ihren Kollegen ein, bringen sich mit Ideen und Vorschlägen ein und so werden alle Projekte auch gemeinschaftlich getragen und profitieren von der geballten Kompetenz.
Am Ende waren es spannende und lehrreiche acht Wochen für mich und ich bleibe auf jeden Fall dabei.
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