Rückblick Work at Werk Union

Rückblick Work at Werk Union

Das Kooperationsprojekt zwischen Urbanisten und Theaterfestival FAVORITEN förderte im Sommer vier künstlerische Recherchen über Vergangenes und mögliche Zukünfte.

Vier Künstler*innen-Gruppen waren zwischen Juni und August für je drei Woche eingeladen, die Geschichte aber auch die utopischen Zukünfte des ehemaligen HSP-Geländes im Dortmunder Unionviertel zu erkunden. Die insgesamt 11 überwiegend aus dem Ruhrgebiet stammenden Künstler*innen lebten und arbeiteten in ihrer Recherchephase jeweils 3 Wochen in der Werkhalle und suchten nach Geschichten von Arbeiter*innen, dem transzendenten Potenzial von Baumwipfeln, der Geschichte des Bodens und möglichen Szenarien nach der Bebauung des Areals.

In Anlehnung an frühere Proteste der Arbeiterinnen wurde von der Gruppe Working Class Daughters ein Protestmarsch organisiert. Der Ghetto-Blaster auf den Schultern der Performerinnen vermittelte dabei die Inhalte deren Recherche: frühere Arbeiterinnen hatten in persönlichen Gesprächen von ihren Erfahrungen berichtet, von der Solidarität, von der Familie, vom Alltag im Betrieb. In anschließenden Podiumsdiskussionen war auch das Publikum zum Mitdiskutieren geladen: Welche dezidiert weiblichen Biografien finden sich in den Archiven der Firma HOESCH? Welches Verhältnis hatten die Arbeiterinnen zur Frauenbewegung? Das wollten Kristina Dreit, Karolina Dreit und Anna Trzpis-McLean aus einer feministischen Perspektive erkunden und vertieften diese Fragen im Anschluss in der Diskussion mit Nuray Demir (freie Künstlerin und Kuratorin), Uta C. Schmidt (Uni Duisburg-Essen) und dem Publikum.

Einen Ausblick auf die Hoffnungen hinter dem Grün wagte die Gruppe Terra Incognita mit Negar Foroughanfar, Dorothee Haller, Christian Berens und Moritz Kotzerke. Gewonnene und verloren gegangene Hoffnungen rund um das HSP-Areal sammelten sie in einer Lost-and-FoundInstallation, die sie mit audiovisuellem Material verwoben. „Nach drei Wochen Arbeiten und Wohnen in und um die Werkhalle herum und dem Sammeln von Eindrücken, Abdrücken, Sperrmüll, Gerüchen und Fiktionen, haben wir eine Insel aufgeschüttet. Mit der Hoffnung, etwas über den Zustand und die Zukunft des Gebietes zu erfahren, wurde auf der Insel ein Forschungslabor errichtet. In einer 45-minütigen live Performance untersuchten wir das Material, um zu begreifen, was es bedeutet und was es vielleicht über Stadtraum als etwas Gestalbares erzählt.“ (Terra Incognita)

Die bildende Künstlerin Vesela Stanoeva und der Musiker Christian Bröer der Gruppe Transzendenter Supranaturalismus verwandelten die Baumkronen auf dem Vorplatz des ehemaligen Hoesch-Verwaltungsgebäudes in ein virtuelles Wunderland und ließen qua Virtual Reality Brille für je eine*n Zuschauer*in rosa Wolken aufsteigen. Der bepflanzte Platz wird in ungewisser Zukunft wohl zum schicken Entrée oder schnöden Parkplatz der hier angedachten Luxus-Hotel-Anlage werden. „Hoesch lebt in den Geschichten, die die Bäume erzählen, weiter…denn der virtuelle Raum ist unkaputtbar…“ (Transzendenter Supranaturalismus)

Die beiden Tänzer und Choreographen David Guy Kono und Antoine Effroy begreifen den jetzigen Zustand des Geländes als eine Zwischenzeit: Zwischen vergangener Stahlindustrie und zukünftiger Siedlung steht der Boden auf diesem Gelände frei. Was wäre, fragen sie aus einer postkolonialen Perspektive, wenn wir den biblischen Befehl „Mach dir die Erde untertan“ ablehnten? In einer genauen Studie der Örtlichkeiten und der Architektur der Werkhalle experimentierten beide in einer szenischen Bearbeitung mit Wasser und Feuer und fanden dabei einen leeren Schmelzofen oder eine Treppe, die zu einer zugemauerten Wand führte. In der anschließenden Diskussion mit Dr. Johanna Schaffer (Professur für Theorie und Praxis der Visuellen Kommunikation an der Kunsthochschule Kassel) bearbeiteten sie die Frage, wer wie erinnert und welches Potenzial noch immer in der umgenutzten Architektur der Werkhalle steckt.

Für die Urbanisten war es spannend zu sehen, welche ortspezifischen Aspekte die eingeladenen Künstler*innen interessieren. „Die Möglichkeiten zur digitalen Gestaltung eines Platzes, die unterschiedlichen Empfindungen bei Neu- und Altbauten, die Kämpfe um Raum und Arbeit im Ruhrgebiet, und die Bedeutung von Boden als nicht vermehrbares Gut, sind Anregungen, die wir in die weitere Arbeit der Neuen Werk Union einfließen lassen.“ Beschreibt Svenja Noltemeyer die gesammelten Erfahrungen. „Auch die Diskussion mit Dr. Hanna Hinrichs (StadtBauKultur NRW), Michael Kranixfeld (Freier Theaterschaffender und Kulturwissenschaftler) und Stefan Gassner (Wem gehört die Kunst?) war sehr anregend: Was kann Kunst in Stadtplanungsprozessen leisten und muss sie das überhaupt?

Am 10.9. sind alle Arbeiten noch einmal im Rahmen des FAVORITEN FESTIVALS zu sehen. 

Work at Werk Union – Künstlergruppen erobern weißen Fleck im Unionviertel

Work at Werk Union – Künstlergruppen erobern weißen Fleck im Unionviertel

Land in Sicht?

Bisher begrenzt die Grüne Wand unseren Blick wie unser Wissen über das ehemalige HSP-Gelände. Längst außer Betrieb weisen unzählige Rohre den Weg tiefer hinein ins Unbekannte. Vier Künstler*innen-Gruppen erforschen von Juni bis September 2018, welche überhörten Geschichten, utopischen Realitäten und Zukünfte sich hinter dem satten Grün finden oder erfinden lassen. Ausgestattet mit dem WORK AT WERK UNION-Stipendium, das die Urbanisten zusammen mit dem Dortmunder Theaterfestival FAVORITEN ausgelobt haben, leben, forschen und proben sie je drei Wochen in der Werkhalle über das Gelände.

Working Class Daughters

Als erste Gruppe beziehen Kristina Dreit, Karolina Dreit und Anna Tzpis im Juni Stellung auf dem Areal und wollen die Stimmen der ehemaligen Arbeiterinnen hörbar machen: Was haben die Mütter, Großmütter und Tanten bei der industriellen Arbeit erlebt und wie haben sich diese Erlebnisse in die Familiengeschichte übertragen? „Für Brot und Rosen“ – lautete 1911 die Parole streikender Arbeiterinnen in New York. Es war der Ruf für gemeinsame Forderungen und Solidarität in den feministischen Arbeitskämpfen. Welche Rückkopplungen hat es bei den Arbeiterinnen in Dortmund gegeben? Und welche Arbeitsabläufe wurden in die Körper eingeschrieben?

Terra Incognita

Einen Ausblick auf die Hoffnungen hinter dem Grün wagen Negar Foroughanfar, Dorothee Haller, Christian Behrens und Moritz Kotzerke. Das vierköpfige Team aus dem Heterotopia-Studiengang der Folkwang Universität Essen erklärt das Gelände der Werk Union kurzerhand zum Kap der guten Hoffnung und entwirft eine mobile Versammlungs- und Ausguckstation für zu gewinnende und verloren gegangene Hoffnungen. Sie fragen, inwiefern die in die Künstler*innen gesetzte Hoffnung in Stadtplanungsprozessen überhaupt sinnvoll oder stattdessen immer schon zum Scheitern verurteilt ist. Die Hoffnungsvorkommen des Geländes tragen die Vier in einer Lost- & Found-Station zusammen, ihr gezimmerter Ausguck dient ihnen als Ankerpunkt, Werkzeugkiste und Bühne für öffentliche Momente.

Dass es am Ende jeder Residenz eine öffentliche Präsentation gibt, ist für die Festivalleiterinnen Fanti Baum und Olivia Ebert genauso wichtig wie für Svenja Noltemeyer von den Urbanisten: „Das Gelände war jahrzehntelang ein weißer Fleck auf der Landkarte der Nachbarschaft, da nur Arbeiter*innen Zutritt hatten“, sagt Noltemeyer, „uns ist es ein großes Anliegen diesen Raum für die Stadtgesellschaft zu öffnen, und als einen Möglichkeitsraum für solidarische Stadtentwicklung zu behaupten“. „Das Publikum“, ergänzen Olivia Ebert und Fanti Baum „erhält zudem Einblick in künstlerisches (Er)Proben und Denken – gemeinsam irritieren die Künstler*innen die Geschichtsschreibung und lassen alternative Zukünfte aufscheinen“.

Den Boden frei lassen

Die beiden Tänzer und Choreographen David Guy Kono und Antoine Effroy begreifen den jetzigen Zustand des Geländes als eine Zwischenzeit: Zwischen vergangener Stahlindustrie und zukünftiger Siedlung steht der Boden auf diesem Gelände frei. Was wäre, fragen sie aus einer postkolonialen Perspektive, wenn wir den biblischen Befehl „Mach dir die Erde untertan“ ablehnten? Was wäre, wenn wir den Boden frei ließen und die westliche Ausbeutung des Bodens aufgäben – ihn nicht ausbeuten, ver/kaufen oder ihm Ressourcen entnehmen – und stattdessen jenen Boden als kamerunisches Dorf dächten? Welches Land, welches Leben wäre da in Sicht? Dies wollen die Zwei im Dialog mit den Anwohner*innen herausfinden und kommen mit Neugier und eigenen Erfahrungen in der Nachbarschaft vorbei.

Rosa Wolken

Wenn sich im Sommer auf der Rheinischen Straße zum Grün der Baumkronen rosa Wolken gesellen, kann das nur eine transzendente Aktion von Vesela Stanoeva und Christian Bröer sein, die die Bäume in ihrer mythischen Erhabenheit feiern und unsere Vorstellungskraft beflügeln – luftiger als jedes Nashorn das je könnte. Spätestens dann gerät der weiße Fleck auf der Landkarte für einige Sekunden in Vergessenheit, denn sattes Rosa umwölktuns.

Nach jeder Residenz gibt es eine Präsentation der künstlerischen Recherchen und aktuelle Informationen und Diskussionen zur Zukunft des Geländes in der Werkhalle (Eingang über Rheinische Straße 143). Am 10. September zeigen die Stipendiaten ihre Arbeitsergebnisse beim FAVORITEN FESTIVAL in der und um die Werkhalle. Alle Termine findet Ihr in Kürze in den Terminen. Der Eintritt ist frei.

Download_Plakat_Residenztermine

www.favoriten-festival.de

Link zu den Infos zur Neuen Werk Union

Neue Werk Union – Eure Beteiligung ist gefragt!

Neue Werk Union – Eure Beteiligung ist gefragt!

Auf dem ehemaligen Industriegelände entsteht ein neuer Stadtteil. Bereits seit 2015 initiieren und steuern die Urbanisten im engen Austausch mit allen Interessierten einen Beteiligungsprozess über die zukünftigen Entwicklungen des ehemaligen HSP-Geländes. Das ehemalige große Industrieareal wurde 2016 von der Thelen-Gruppe gekauft und könnte nach Meinung der Urbanisten einen einzigartigen Möglichkeitsraum für Experimente darstellen. Unter dem Titel Neue Werk Union möchten wir diskutieren und erproben wie die Stadt der Zukunft aussehen, funktionieren und vor allem gemeinschaftlich geplant werden kann. Für die Identität des Unionviertels sind die Fläche und die Beteiligung an ihrer zukünftigen Entwicklung von herausragender Bedeutung. Besonderes Augenmerk richten die Urbanisten auf moderne Raumkonzepte und Beteiligungsmethoden. Sie stellen neue Qualitäten in den Mittelpunkt die gleichzeitig Bestand und Tradition wertschätzen.

Eine offene Arbeitsgruppe, bei der jeder mitmachen kann, lud 2017 zu Info-Abenden, Begehungen und Kennenlerntreffen zwischen Interessierten und Stadtverwaltung sowie dem Käufer des Geländes, der Thelen-Gruppe, ein. Auch 2018 werden im Rahmen von World- Cafés, digitalen Begehungen und künstlerischen Interventionen viele Mitmachmöglichkeiten entstehen. Beim letzten Treffen am 18. Januar in der Werkhalle wurde bereits eine Vielzahl konkreter Ideen zu den Schwerpunktthemen „Gebäude & Architektur“ und „Freiraumentwicklungen“ sowie „Konzepte/Visionen/Prozesse“ entwickelt.

Die Zeit drängt – Wünsche müssen zeitnah konkretisiert werden!

Die Zeit, um eigene Wünsche und Empfehlungen zu formulieren, drängt! Denn voraussichtlich 2019 wird darüber breit diskutiert werden, was genau auf dem Gelände umgesetzt werden kann und was nicht. Es gilt also, die mit dem Raum verbundenen Potenziale zu nutzen und Vorstellungen über die Entwicklung des neuen Stadtteils der ehemaligen Werk Union gegenüber den EntscheidungsträgerInnen der Stadtentwicklung zu kommunizieren!

Offene Arbeitsgruppe – MitstreiterInnen sind herzlich willkommen

Die offene Arbeitsgruppe organisiert sich mit viel ehrenamtlichen Engagement und freut sich auf Euch und Eure Unterstützung. Es ist kein Vor- oder Fachwissen notwendig – jede helfende Hand ist willkommen!

neuewerkunion@dieurbanisten.de

Informationen zum Projekt